Quantitative Entscheidungsverfahren

Quantitative Entscheidungsverfahren

Zahlen lügen nicht

Quantitative Entscheidungsverfahren, auch Nutzenanalyse genannt, systematisieren Entscheidungen um unter Anwendung mathematischer Modelle zu der besten Lösung für alle Beteiligten zu führen.

Aus der Menge möglicher Optionen wird diejenige identifiziert, die für die vorgegebene Problem- bzw. Fragestellung insgesammt am besten geeignet ist. Es wird berücksichtigt, dass nicht alle Bedürfnisse, Ziele und Bewertungskriterien für die Beteiligten gleich wichtig sind. Sie erhalten dann eine relative Wichtung. Anschließend wird für jede Option geprüft, welchen Beitrag sie zu einem einzelnen Bedürfnis, Ziel oder Bewertungskriterium leistet.

Konfliktparteien in der Wirtschaftsmediation

In der Wirtschaftsmediation, also der Mediation zwischen Vertretern von Organisationen oder Gruppen ist der Ursprung der Konflikte die in der Rolle der Konfliktparteien definierten Werte, Ziele und Erwartungen. Diese Rollen sind durch die rollendefinierenden Organisationen gewollt konfliktgeladen angelegt. Die Konfliktparteien sind normalerweise einer Organisation bzw. Kontrollinstanz Rechenschaft schuldig und in den meisten Fällen hierarchisch unterstellt. Die auftretenden Konflikttypen werden in einem persönlichen und einem rollenbasierten Konflikt unterscheiden. 


Die Vertraulichkeitsvereinbarung der Mediation kann für die Rolleninhaber nach erfolgreichen Vereinbarungen hinderlich sein, wenn die ihn einsetzende Organisation eine Begründung für die Annahme der Vereinbarungen einfordert. Ein möglicher Lösungsansatz dieses Problems könnte ein quantitatives Entscheidungsverfahren sein, das angelehnt an das quantitative Verfahren der Entscheidungsfindung im technischen Umfeld, der sogenannten Kepner-Tregoe Entscheidungsanalyse für die Mediation angewendet wird. Die Kepner-Tregoe Entscheidungsanalyse ist ein technisches Verfahren das nachweisbar mit einem rationalen Anspruch über quantitative Methoden die beste verfügbare Lösung auszuwählen vermag. Es werden die unterschiedlichen Ebenen des rollenbasierten und persönlichen Konfliktes verdeutlicht und die Anwendung der quantitative Entscheidungsfindung anhand eines Beispiels erläutert. Die Nutzung der quantitativen Entscheidungsanalyse kann die Methode der Mediation in der Wirtschaftsmediation anreichern. Beide Konfliktparteien können eine voll transparente Entscheidungsbeurteilung darstellen, auch für nicht direkt an der Mediation Beteiligte und auch an die Auftragsorganisation oder Gruppe. Einzelne Schritte können zur Ergebnissicherung mit Interaktion der Konfliktparteien und ihren Auftraggebern durchgeführt werden. Die Konfliktparteien können sich in Rücksprachen mit der auftragenden Organisation oder Gruppe außerhalb der Mediation das Mandat für die Verhandlung sichern. Es wird eine mathematische Win-Win-Funktion hergeleitet mit der die Konfliktparteien exakt und nachvollziehbar die Alternativen bewerten können. Mit einem quantifizierten Win-Win-Diagramm vor Augen ist es wahrscheinlich, dass sich die Konfliktparteien gemeinsam auf Lösungsalternativen einigen können.

Ich möchte im Folgenden die Konflikttypen in einen persönlichen und einen rollenbasierten Konflikt unterscheiden. Ein Großteil der geschäftlichen Zusammenarbeit ist als Projektarbeit organisiert. Technische Projekte stellen typischerweise eine Optimierung von drei Haupteigenschaften (KPI key perfomance indicators) Termin, Qualität und Kosten dar (Abbildung 1). Damit diese Optimierung wiederholbar und personenunabhängig realisiert werden kann wurde in der Industrie ein allgemein anerkanntes Qualitätssicherungsverfahren definiert und international standardisiert (verschiedene, 2020). Der Standard ISO9000/9001 wurde ständig erweitert und in branchenspezifische Standards weiterentwickelt, wie z.B. für Software basierte Systeme in der Automobilindustrie den ASPICE Standard ( VDA QMC , 2020). In den Standards sind Prozesse und zugehörige Rollen ein Nachweis für einen etablierten definierten Prozess. 

Diese Rollen sind durch die rollendefinierenden Organisationen gewollt konfliktgeladen angelegt um von den Rolleninhabern einen gegenseitigen konstruktiven Optimierungsprozess einzufordern. Das heißt, dass die Rollen gemäß ihrer Beschreibung selbst innerhalb einer Organisation gegenläufige Ziele, Strategien und Bedürfnisse im Vergleich zu anderen Rollendefinitionen haben können oder bedienen müssen.


Beispielsweise wird der Verkäufer obwohl er in der gleichen Organisation/Firma wie der Technische Projektleiter des Zulieferers teilweise gegenläufige Interessen, Ziele und Bedürfnisse in seiner Rol-le haben wie der Projektleiter. Der Verkäufer wird versuchen die geplanten Kosten möglichst ge-ring anzusetzen um wettbewerbsfähig anbieten zu können, der Projektleiter hingegen wird versu-chen die geplanten Kosten eher hoch anzusetzen um bei der Realisierung des Projektes einen grö-ßeren Spielraum zu haben. Dieser Konflikt ist von der Organisation gewünscht, da die beiden Per-sonen im Sinne der Organisation um den besten Kompromiss ringen sollen, beide mit unterschied-lichen konfliktbelasteten Vorgaben aber einer gemeinsamen Firmenstrategie. Analoges gilt für die andere Organisation mit Einkauf und Projektleiter. Damit ergibt sich eine rollenbasierte Kommuni-kations- und Konflikt-Matrix (Abbildung 2) mit definierten Interessen, Zielen und Bedürfnissen.

In Verhandlungen oder Konfliktgesprächen der rollenbasierten Parteien wird oft nicht auf die Ge-samtsicht des verhandelten Problems geachtet. D.h. es stellt sich die Frage: „Wer verhan-delt/streitet eigentlich, in wessen Auftrag und mit welcher Legitimation?“ (Kerntke, 2018).

In vielen Fällen haben nicht alle rollenbasierten Konfliktparteien das gleiche Interesse einen Kon-flikt von zwei anderen Parteien beizulegen, sondern befeuern den offenen oder schwelenden Konflikt sogar um eigene Interessen zu wahren. Beispielsweise könnte ein Einkäufer interessiert sein einen Konflikt der technischen Projektleiter eher anzuheizen, denn zu schlichten, um möglich-erweise einen Teil einer fälligen Zahlung in Frage zu stellen.


Rollenbasierte Konfliktparteien haben typischerweise eine Kontrollinstanz oder Organisation die zum ersten die Rolle definiert hat und zum zweiten die Konfliktpartei in die Rolle eingesetzt hat. Die Konfliktpartei ist normalerweise der Organisation bzw. Kontrollinstanz Rechenschaft schuldig und in den meisten Fällen hierarchisch unterstellt. 

Ein rollenbasierter Konflikt kann zwischen den Rolleninhabern ohne jeglichen persönlichen Konflikt ausgetragen werden. D.h. die Konfliktparteien können hart in der Sache streiten, sobald sie die Verhandlung verlassen sich als Bekannte oder befreundete Kollegen normal unterhalten. Hier han-delt sich gemäß Glasl nicht um einen sozialen Konflikt (Glasl, 2011). In vielen Fällen laufen zwei Ebe-nen der Eskalationsstufen nach Glasl (Glasl, 2011) parallel zueinander ab, eine rollenbasierte und eine persönliche. Zwischen den beiden Eskalationsstufen kann eine Konfliktpartei Interaktionen erzeugen, wenn sie zielgerichtet persönliche Werte und Bedürfnisse der Person mit der gegen-überliegenden Rolle verletzt. Zum Beispiel die Person der Lüge oder Unehrlichkeit bezichtigt oder mit falschen Behauptungen oder verdrehten Fakten die persönliche Integrität des anderen Rollen-inhabers beschädigt. 

Ein Mediator kann in Phase 3 einer Mediation die Konfliktparteien dabei unterstützen die Hinter-gründe zu erkennen, welche Themen sich auf die jeweilige Rolle und welche sich auf persönliches Wahrnehmen, Denken, Fühlen oder Wollen beziehen. Durch das Verständnis der Herkunft der unterschiedlichen Positionen aufgrund der unterschiedlichen Rollendefinitionen müssen unter Umständen für die persönlichen Themen früher Lösungsideen formuliert oder sogar erste Verein-barungen getroffen werden um eine erfolgreiche weitere Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Die Vertraulichkeitsvereinbarung ist für den Verlauf der Mediation sehr hilfreich, kann aber für die Rolleninhaber nach erfolgreichen Vereinbarungen hinderlich sein, wenn die ihn einsetzende Orga-nisation eine Begründung für die Annahme der Vereinbarungen einfordert.

Ein möglicher Lösungsansatz dieses Problems könnte ein in der 1. Phase der Mediation vereinbar-tes Verfahren zur Entscheidungsfindung sein, das angelehnt an das quantitative Verfahren der Entscheidungsfindung im technischem Umfeld, der sogenannten Kepner-Tregoe Entscheidungs-analyse (Kepner-Tregoe, Inc., 2020) für die Mediation angewendet wird. 

Die Kepner-Tregoe Entscheidungsanalyse ist ein technisches Verfahren das nachweisbar mit einem rationalen Anspruch über quantitative Methoden die beste verfügbare Lösung auszuwählen ver-mag, die implementiert werden soll (Wikipedia, 2020). Große Vorteile können sich ergeben, wenn die Offenlegung der rein rollenbasierten Konfliktbear-beitung im Vorfeld der Mediation mit beiden Konfliktparteien vereinbart wird.

Die Konfliktpartei kann unterschiedlich in die Organisation eingebunden sein. Sie ist entweder Teil oder außenstehender Beauftragter einer Organisationseinheit.

Als Teil einer Gruppe/Organisationseinheit und vertritt deren Interessen

• Ohne Auftrag der Gruppe (selbsternannt)

• Ist Beauftragter der Gruppe (gewählter Vertreter, Bürgermeister, Vereinsvorstand, Kassenwart, …)

• Ist durch organisationale Bedingungen der Vertreter der Gruppe (Chef, Abteilungs-, Team-, Pro-jektleiter, …)


oder ist nicht Teil der Gruppe/Organisationseinheit, vertritt als Beauftragter deren Interessen

• Ohne Auftrag der Gruppe (selbsternannt, Mutter-Kinder, Vater-Kinder, Bürgerinitiative, …) 

• Außenstehender Beauftragter der Gruppe (Anwalt, Politiker, Schlichter, …)


Um zu einer fairen Entscheidung zu kommen, soll diese quantifiziert werden und dann in einem Diagramm für die Entscheidungsfindung visualisiert werden. Das trägt zur vollen Transparenz im Sinne der Allparteilichkeit bei. Beide Konfliktparteien können jeweils für sich selbst entscheiden welche Bedürfnisse aus der Phase 3 der Mediation sie in die Bewertung einbringt und wie sie selbst diese wichtet.

Die in Phase 4 entwickelten Lösungsalternativen werden gemeinsam formuliert bzw. beschrieben.

Als nächster Schritt erfolgt die unabhängige quantitative Bewertung aller Alternativen durch jede Konfliktpartei durch eine parallele Durchführung einer KT-Analyse mit den gleichen Zielen, Bedürf-nissen und Wünschen.

In der Rahmenphase beschreibt der Mediator den Verlauf der Mediation und das Verfahren der quantitativen Entscheidungsfindung sowie die Rolle und Verantwortlichkeiten des Mediato-renteams. Er erläutert allgemein die speziellen Bedingungen und Bedürfnisse eines rollenbasierten Konfliktes. 

Der persönliche Konflikt spielt sich ausschließlich zwischen den Rolleninhabern ab. Der rollenbasier-te Konflikt ist beeinflusst von einer Vielzahl von beteiligten und betroffenen Akteurgruppen mit unterschiedlichen Interessen. Oft ist der Rolleninhaber nicht in der Lage alle an die Rolle gestellten Bedürfnisse und Ziele alleine ohne Rücksprache zu vertreten (Beck, Dieter; Fisch, Rudolf; Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, 2005). Den Konfliktparteien werden die unter-schiedlichen Ebenen des rollenbasierten und persönlichen Konfliktes verdeutlicht, die im Mediati-onsverfahren explizit getrennt behandelt werden sollen. Das Verständnis dieser Trennung ist im Folgenden entscheidend, im Speziellen für das gemeinsame Verständnis der unterschiedlichen Ebenen der Vereinbarung bezüglich Vertraulichkeit. Für alle bearbeiteten persönlichen Themen gilt der in Mediationen übliche vollständige Vertraulichkeitsgrundsatz. Für die rollenbasierten Themen wird bereits in dieser Phase als Ziel für den Abschluss definiert, inwieweit die Weitergabe der Er-gebnisse zur Erlangung einer Vereinbarung an die rollendefinierenden (beauftragenden) Organisa-tionen oder Gruppierungen vorgesehen sind. Ob diese Definition nach den Vereinbarungen so oder in veränderter Form einzuhalten ist, wird in Phase 5 bzw. dem Abschluss des Mediationsver-fahrens bestätigt oder nachgeschärft.


In dieser Phase geht es darum, möglichst genau herauszuarbeiten, um welche Themen und Stand-punkte behandelt werden sollen. Bereits hier können die Themen bezüglich der Attribute „Persön-lich“ oder „Rollenbasiert“ kategorisiert werden. Bei der Visualisierung der Themen achtet das Me-diationsteam darauf, dass die Themen bezüglich der Kategorisierung zugeordnet werden. Die Me-diatoren fördern die Klarstellung und Einordnung der Standpunkte durch aktives Zuhören, offene Fragen, halten Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest.

Die persönlichen Konfliktthemen werden nun priorisiert und in einem ersten Durchlauf der Media-tion bis zu Vereinbarungen geführt, die eine zielgerichtete, vertrauensvolle Abarbeitung der rol-lenbasierten Konfliktthemen zulässt. Auf die Beschreibung des ersten Durchlaufs wird hier verzich-tet. Im zweiten Durchlauf werden die rollenbasierten Konfliktthemen bearbeitet. Die Konfliktpar-teien bekommen die Gelegenheit darzustellen worum es in der von ihnen begleiteten Rolle eigent-lich geht und welche Standpunkte und Ziele diese Rolle verfolgen soll. Es entsteht eine Liste der zu bearbeitenden Themen. Die Konfliktparteien können ein gemeinsames Thema formulieren über dessen Lösung der zu behandelnde Konflikt entbrannt ist, da die jeweiligen Standpunkte und Ziele der beiden Rollen bisher nicht ausreichend klargestellt werden konnten um zu Lösungsansätzen geschweige denn zu Vereinbarungen zu kommen. Im Folgenden soll die Methode des quantitati-ven Entscheidungsverfahrens an einem Beispiel verdeutlicht werden. Als Beispiel werden ein Un-ternehmensvertreter und ein Interessensvertreter der Mitarbeiter über das Thema bzw. die Maß-nahmen zur „Kosteneinsparung wegen starkem Rückgang des Umsatzes/Gewinns“ nicht einig.

In der dritten Phase geht es darum die Konfliktparteien zu unterstützen den Konflikthintergrund zu beleuchten und die Ursache für den Konflikt zu erkennen. Zunächst stellen die beiden Konfliktpar-teien die Motive, Interessen, Bedürfnisse die die begleitete Rolle von der jeweiligen Person bezüg-lich des zu verhandelnden Themas erfordert. Die Mediatoren lenken den Fokus weg von den Posi-tionen hin zu den rollenbasierten Bedürfnissen und Zielen. Ein Erfolg wird möglich, wenn es gelingt die Bedürfnisse als Wünsche zu formulieren und zu visualisieren. Im ersten Schritt werden die Wünsche und Bedürfnisse beider Konfliktparteien in einer gemeinsamen Liste gesammelt. Im nächsten Schritt bekommt jede Konfliktpartei die Möglichkeit die Wichtigkeit jedes einzelnen Be-dürfnisses gemäß seiner Rolle mit einem Wert zwischen 0 und 10 zu bewerten. Im gewählten Bei-spiel könnte die gewichtete Bedürfnistabelle folgendermaßen aufgestellt werden (siehe Abbil-dung 7).

Wünsche und Bedürfnisse der anderen Konfliktpartei die nicht mit der eigenen Rolle vereinbar sind werden mit 0 gewichtet. Sind der Wunsch bzw. das Bedürfnis mit der selbst vertretenen Rolle vereinbar oder teilweise vereinbar wird ein von 0 verschiedener Wert vergeben.


Für beide Konfliktparteien ergeben sich Wichtungssummen


bei m bewerteten Bedürfnissen, mit den Einzelwichtungen Wichtung_(n,i) der Konfliktpartei i die für die spätere Bewertung der Alternativen benötigt werden und damit für die relativen Wichtungssummen Wichtung_(rel,n,i) als prozentualer Wert der Wichtung für Konfliktpartei i.


Die Aufstellung der Einzelwichtungen Wichtung_(n,i) kann gegebenenfalls sogar für beide Konfliktparteien einzeln in Abstimmung oder ohne Abstimmung mit der rollenbestimmenden Organisationseinheit oder Gruppe erstellt werden, hierzu ist dann die in Punkt 3.1 erwähnte erweiterte Vertraulichkeitsvereinbarung notwendig.

In der Phase 3 kann es zu einer Häufung von geäußerten Lösungsvorschlägen kommen, speziell wenn eine Abstimmung mit der auftraggebenden Organisationseinheit stattfindet. Das Mediationsteam und die Konfliktparteien sollten an dieser Stelle der Verlockung widerstehen, die erstbeste Lösung aufzugreifen und für die weitere Verhandlung weiterzuverfolgen. Stattdessen sollte jedem Ideengeber für den Beitrag gedankt werden und die Idee bzw. Lösungsvorschlag sichtbar aufgeschrieben werden (Weckert & Oboth, 2014).

In dieser Phase geht es darum in einem Brainstorming möglichst viele Ideen für Lösungen oder Maßnahmen zu sammeln, um die in Phase 2 (siehe 3.2) definierten rollenbasierten Themen und Ziele zu erreichen. Hilfreiche Fragestellungen zur Lösungsfindung sind „Was kann ihre Organisation direkt zur Lösung beitragen?“ oder „Welche Ideen fallen Ihnen als Lösungswege oder Maßnahmen ein? Wir nehmen alle Lösungsansätze auf, ohne sie zum jetzigen Zeitpunkt zu bewerten.“

Die in Phase 3 aufgestellte gemeinsame Liste der Bedürfnisse und Ziele kann den Konfliktparteien helfen „Um die Ecke zu denken“ und somit Ideen außerhalb des bisher in der Rolle gedachten bzw. erlaubten Lösungsraums zu benennen. 

Bereits hier werden die Konfliktparteien bei der Benennung von außergewöhnlichen Lösungsansätzen erste Gemeinsamkeiten erkennen und das Vertrauen stärken, selbst auch in der eigenen Rolle ungewohnte Lösungsvorschläge abzugeben. Wenn zu jedem der Themen eine Anzahl von Lösungsvorschlägen vorliegt und den Themen zugeordnet werden kann ist der Zeitpunkt erreicht in dem das Mediationsteam zur quantitativen Bewertung der Lösungsvorschläge der einzelnen Themen hinführen kann. 

Die Lösungsvorschläge oder Maßnahmen werden den Themen zugeordnet und fortlaufend als Alternative j nummeriert. Die Alternativen werden gemeinsam, einzeln oder sogar mit der beauftragenden Organisation von den Konfliktparteien gemäß dem Erfüllungsgrad für die Rolle der Konfliktpartei zu dem jeweiligen Bedürfnis aus der gewichteten Bedürfnistabelle (Abbildung 7) bewertet. Die Erfüllungsgrade jedes einzelnen gelisteten Bedürfnisses werden in Werten von 0 mit “erfüllt das Bedürfnis gar nicht“ bis 10 mit “erfüllt das Bedürfnis vollständig“. Besonders vorteilhaft ist, wenn die jeweilige Konfliktpartei einem Kommentar mit einer Begründung der Bewertung des Erfüllungsgrades festhält. 

Die Aufstellung der Erfüllungsgrade kann auch hier gegebenenfalls für beide Konfliktparteien einzeln in Abstimmung oder ohne Abstimmung mit der rollenbestimmenden Organisationseinheit oder Gruppe erstellt werden, hierzu ist dann wieder die in Punkt 3.1 erwähnte erweiterte Vertraulichkeitsvereinbarung notwendig. In dem vereinfachten Beispiel könnten die Bewertungstabellen der Erfüllungsgrade für die ersten drei Alternativen folgendermaßen aussehen (Abbildung 8,Abbildung 9,Abbildung 10). 

Die Alternativenbewertungen B_(i,j) werden einzeln als Quotient aus Summenprodukte SP_(i,j) der Wichtungen und der Erfüllungsgrade der Konfliktpartei i und den Wichtungssummen der Konfliktpartei W_i (Formel 1) berechnet. 


Die Bildung des Quotienten mit der Wichtungssummen der Konfliktpartei W_i ist erforderlich um unterschiedliche Anzahlen und Wichtungen von genannten Bedürfnissen der Konfliktparteien auszugleichen. Die Alternativenbewertung B_(i,j) stellt dann die Bewertungen der Alternative j für die jeweilige Konfliktpartei i dar.

Aus dem Produkt der Alternativenbewertungen B_(i,j) der Konfliktparteien i lässt sich für jede Alternative j eine Win-Win-Bewertung WW_j= B_(1,j)∙B_(2,j) ermitteln. Der Win-Win Bereich liegt dann oberhalb der Hyperbel mit Win-Win Werten > 25.

Aus dem Produkt der Alternativenbewertungen B_(i,j) der Konfliktparteien i lässt sich für jede Alternative j eine Win-Win-Bewertung WW_j= B_(1,j)∙B_(2,j) ermitteln. Der Win-Win Bereich liegt dann oberhalb der Hyperbel mit Win-Win Werten > 25.

In diesem Modell wird ein Gewinn für die Konfliktpartei i bereits ab einer minimalen Alternativenbewertungen B_(i,j)>0 angesetzt. 

Typischerweise wird eine Konfliktpartei eine Alternative erst als „Gewinn“, also positiv, akzeptieren, wenn die Alternativenbewertung mindestens halbwegs B_(i,j)>5 erfüllt ist. Unterhalb der hälftigen Erfüllung wird die Alternative eher als „Verlust“, also negativ, empfunden und bewertet. 

Dies lässt sich mathematisch durch eine Verschiebung des Nullpunkts der Alternativenbewertungen B_(i,j)'= B_(i,j)-5 erreichen. Dann repräsentieren negative Werte loose-Bedingungen für die Konfliktpartei i. Bei dem einfachen Produktansatz der Win-Win-Bewertung WW_j= B_(1,j)'∙B_(2,j)' würde sich im Loose-Loose-Bereich ein positiver Wert ergeben. Daher ist es vorteilhaft eine komplexe Win-Win-Bewertung WC_j über ein Nash-Produkt der Alternativbewertungen zu definieren. Negative Wurzeln ergeben imaginäre Werte i=√(-1) .

Um dann die reale Win-Win-Bewertung WW zu ermitteln kann folgende Formel verwendet werden:

Hier stellen Re(WC_j ) und Im(WC_j ) den Real- und den Imaginärteil der komplexen Win-Win-Bewertung WC_j dar. Der Win-Win- und der Loose-Loose-Bereich sind mit einem Faktor a (im unteren Beispiel Faktor a=2) versehen worden. Die Win-Win-Bewertung ist nur von der Lösungsalternative j abhängig und berücksichtigt alle Wichtungen und Erfüllungsgrade der Konfliktparteien.

Zur Veranschaulichung des Ergebnisses für die Konfliktparteien werden die Alternativen in einem sogenannten Kugel-Diagramm dargestellt (Abbildung 13). Auf der x-Achse wird die Alternativenbewertungen B_(1,j) der ersten Konfliktpartei, auf der y-Achse die Alternativenbewertungen B_(2,j) der zweiten Konfliktpartei aufgespannt. Dargestellt wird die Win-Win-Bewertung WW_j als eine Kugel mit einem Radius der dem Wert der Bewertung entspricht.


Im Win-Win Bewertungsdiagramm (Fisher, Ury, & Patton, 1991 [1981]) stellt der rechte obere Quadrant den Bereich dar in dem beide Konfliktparteien eine großen Alternativenbewertungen B_(i,j) (Nutzen) der Alternative haben. Links unten stellt den Loose-Loose Bereich dar, beide Parteien haben geringe Alternativenbewertungen B_(i,j). Die beiden übrigen Felder bevorzugen jeweils nur eine der beiden Konfliktparteien.

Mit dem Win-Win-Diagramm vor Augen ist es wahrscheinlich, dass sich die Konfliktparteien ge-meinsam auf Lösungsalternativen einigen können. Sofern bezüglich der Geheimhaltung vereinbart wurde, dass die Konfliktparteien die quantitative Entscheidungsanalyse gegenüber den rollendefi-nierenden Organisationen oder Gruppen offen legen dürfen haben die Konfliktparteien auch gute Möglichkeiten ihre Entscheidung zur Zustimmung in der Mediation gut und nachvollziehbar gegen-über ihrem Auftraggeber zu rechtfertigen. Die genauen Inhalte die veröffentlicht werden dürfen werden gemeinsam festgelegt, ggf. kann sich die Veröffentlichung auf einen fest vereinbarten Personenkreis z.B. die direkten Auftraggeber der beschränken. Es können schriftlich festgehaltene Formulierungen erarbeitet werden welche Alternativen, von welcher Organisation bis wann unter-stützt bzw. realisiert werden. Die Vereinbarung wird vom Mediatorenteam vorgelesen und bei Zustimmung von den Konfliktparteien unterschrieben. Die Konfliktparteien sind im Anschluss für die Information und Überzeugung der eigenen beauftragenden Organisation oder Gruppe verantwortlich.

Die Nutzung von Methoden des technischen Problem-Solvings, hier am Beispiel der quantitativen Entscheidungsanalyse dargestellt, kann die Methode der Mediation in der Wirtschaftsmediation anreichern. 

Als besonders vorteilhaft sollte sich die für beide Konfliktparteien voll transparente Entscheidungs-beurteilung darstellen. Es ist zu erwarten, dass die gefunden Lösungen nachhaltig umgesetzt wer-den, da in der Dokumentation der Entscheidung auch für nicht direkt an der Mediation Beteiligte die Entscheidungsfindung nachvollziehbar dargestellt ist. Die Dokumentation ist einsetzbar für die Rückmeldung/Begründung der Entscheidung an die Auftragsorganisation oder Gruppe. Einzelne Schritte können zur Ergebnissicherung mit Interaktion der Konfliktparteien und ihren Auftragge-bern durchgeführt werden. Die Konfliktparteien können sich in Rücksprachen mit der auftragenden Organisation oder Gruppe außerhalb der Mediation das Mandat für die Verhandlung sichern. Jede Konfliktpartei kann mit ihrer Gruppe/Organisationseinheit eine Bedürfnisliste erstellen und Wich-tung der Bedürfnisse für die jeweilige Gruppe festlegen und später die Alternativen bezüglich der gemeinsamen Bedürfnisse bewerten.

Nachteilig könnte sich darstellen, wenn die Konfliktparteien anstatt offen, ehrlich und ergebnisof-fen die Entscheidungsanalyse nach einer Strategie befüllen und über eine „Einfühlungsliste“ der Gegenpartei eigene Wertungen so beeinflussen, dass eine eigene Strategie mit höherer Wahrscheinlichkeit bedient wird.

Die Synergie wurde aufgrund einer theoretischen Überlegung prognostiziert und muss sich daher noch in der praktischen Anwendung auf Tauglichkeit und Verbesserung der Mediationsergebnisse z.B. bezüglich Nachhaltigkeit und Akzeptanz der Auftraggebenden Organisationen evaluiert werden. 

Literaturverzeichnis

VDA QMC . (16. 02 2020). Automotive SPICE. Von automotivespice.com: http://www.automotivespice.com/


Beck, Dieter; Fisch, Rudolf; Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung. (2005). Entscheidungsunterstützende Verfahren für politisch-administrative Aufgaben (Bd. 235). (Deutsche Hochschule für Verwaltung, Hrsg.) Speyer.


Fisher, R., Ury, W., & Patton, B. (1991 [1981]). Getting to Yes: Negotiating Agreement Without Giving In. New York: Penguin Books. ISBN 9780140157352. OCLC 24318769.


Glasl, F. (2011). Konfliktmanagement. Bern/Stuttgart/Wien: Hrsg: Freies Geistesleben.


Kepner-Tregoe, Inc. (17. 02 2020). Von Kepner Tregoe: https://www.kepner-tregoe.de/


Kerntke, W. (2018). Wie Ziegen und Fische fliegen lernen. Frankfurt am Main: Wolfgang Metzner Verlag.


Likom GmbH; Verein zur Förderung der Berufsbildung e.V.;. (2019). Zertifikatslehrgang Wirtschaftsmediator*in (IHK).


verschiedene. (16. 02 2020). Qualitätssicherung. Von Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Qualit%C3%A4tssicherung


Weckert, A., & Oboth, M. (2014). Mediation für Dummies. Weinheim: Wiley-VCH Verlag GmbH & Co.


Wikipedia. (29. 02 2020). Kepner-Tregoe. Von de.wikipedia.org: https://de.wikipedia.org/wiki/Kepner-Tregoe abgerufen

 

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